Donnerstag, 5. Juni 2014

ABSCHWEIFUNG, DIE

laut duden ist eine abschweifung eine abweichung, ein exkurs, bzw. ein umweg. man kommt vom stock aufs stöckchen, vom asterl aufs zweigerl, vom hundertsten ins tausendste. wie ich ja bereits schrieb liebe ich umwege, nebenstraßen und alternativrouten. auch in der literatur liebe ich abschweifungen, doch leider beherrschen nicht viele die kunst des zauberhaften, bzw. verzaubernden und somit fesselnden abschweifens.

ad hoc fallen mir nur 3 schriftsteller ein, welche die abschweifung dermaßen gut beherrschen, dass ihre werke im grunde fast ausschließlich nur mehr aus abschweifungen bestehen. nein, eigentlich sind es vier, doch ich weiß nicht mehr wie der vierte hieß, denn dessen werk lernte ich bereits vor sehr vielen jahren nur als hörbuch während einer autofahrt kennen. ich kann mich auch nicht mehr an den titel erinnern, ich weiß nur mehr, dass es sich um einen klassiker handelte, einem britischen um genau zu sein, und dass dieser es wie kein anderer beherrschte landschaften mehr aus- als abschweifend zu beschreiben. da mäanderten kleine bäche und größere flüsse vorbei an knorrigen verwitterten weiden und... ach, lassen wir das, ICH würde die kunst der zauberhaften und fesselnden abschweifung zwar gerne beherrschen, doch dazu muss ich noch sehr viel üben und lernen viel geduldiger zu sein. ich komme viel zu gerne schnell auf den punkt um abschweifend sein zu können.

nun, der erste abschweifende schriftsteller der mir einfällt ist "hildegunst von mythenmetz". dies ist jetzt ein wenig irreführend, denn mythenmetz ist selbst eine erfundene romanfigur, also müsste ich eigentlich "walter moers" anführen. dieser hat in seiner eigenschaft als "übersetzer" (er behauptet ja er würde seine romane aus zamonien nicht selbst schreiben, sondern sie nur aus dem zamonischen übersetzen) die "mythenmetzsche abschweifung" erfunden, kultiviert und in höhere sphären katapultiert. moers, also mythenmetz, schweift in nahezu all seinen romanen dermaßen vom hauptthema ab, dass es eine freude ist hier lesend (oder auch hörend) dabei zu sein. teilweise geschieht dies sogar als selbstzweck, einfach nur um abgeschwiffen zu haben.



der zweite schriftsteller den ich hier erwähnen möchte ist "max goldt" (ja, der schon wieder! tut mir leid, gute leute kann man nicht oft genug loben!). wobei herr goldt ja eigentlich kein schriftsteller ist, sondern ein kolumnist. dennoch schweift auch er innerhalb seiner kolumnen dermaßen gekonnt ab, dass, würde man diese abschweifungen herausstreichen und nur das hauptthema stehen lassen, von sechs seiten kolumne vielleicht nur mehr eine übrig bliebe. er kann es sich leisten, denn erstens muss er ja nur einen text im monat verfassen und zweitens kann er es einfach.


der dritte, den ich euch hier ans herz legen möchte, ist phillip ardagh. und hier gebe ich sogar die empfehlung ihn nicht zu lesen, sondern zu hören. also, nicht ihn, sondern seine bücher, denn diese werden vom brummbassigen harry rowohlt dermaßen köstlich intoniert, dass seine hörbuchversionen besser sind als das geschriebene wort, das man ja selbst lesen müsste. ich erinnere mich an eine szene in der jemand nur ein paar schritte machte, sich diese szene aber über eine halbe stunde hinzog, weil mister ardagh wieder mal auf derart reizendste art und weise abschwiff, dass man fast traurig wurde als diese schritte endlich getan waren. nun, auch hier ist es einige jahre her als ich es hören durfte, weder kann ich mich an den titel der geschichte erinnern, noch würde ich mich für den wahrheitsgehalt meiner beschreibung verbürgen. aber die gefühlte wahrheit ist ja auch nicht schlecht, oder? wenn bei herrn goldt nach streichung der abschweifungen aus sechs seiten nur mehr eine wird, dann wird bei mister ardagh aus einem ganzen buch ein absatz. herr rowohlt und mister ardagh sehen sich witzigerweise sogar ähnlich, denn beide tragen einen äußerst männlichen rübezahlmäßigen rauschebart, einen von jener sorte in dem man noch tage später das mitagessen von vor 4 tagen herauslesen könnte, wenn sich die herren nicht um die pflege desselben kümmern würden - was sie vermutlich auch tun. (na? das war doch fast schon eine schöne abschweifung?)



fast jeder schriftsteller schweift irgendwann und irgendwo in seinem werk einmal ab, doch in der regel denkt man sich "jetzt mach mal hinne, das interessiert doch keine sau". es gehört einfach mehr augenmerk auf das nebensächliche gelegt, bzw. sollte nebensächlichkeiten nicht nur mehr raum, sondern vor allem mehr brillianz  gegeben werden. es wäre eine art von "entdeckung der langsamkeit", wobei in diesem roman (von sten nadolski) nicht, oder nur kaum merkbar abgeschwiffen wird. zumindest erinnere ich mich nicht daran.

eine gute abschweifung ist wie filmmusik, man bemerkt sie entweder nicht, oder sie ist dermaßen genial, dass man sie lieben muss wenn man sie dann doch bemerkt. und sie unterstützt die geschichte nicht unbeträchtlich.

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